Neues Zeitalter (1979 – 1988)

 Die 9 Jahre Tätigkeit für die Kolleginnen und Kollegen der Hamburger Steuerverwaltung als Landesvorsitzender der DSTG wurden neben den routinemäßigen Tagesgeschäften durch zwei herausragende Arbeitstitel geprägt. Dies war die Ausweitung der elektronischen Datenverarbeitung in den Dienststellen der Steuerverwaltung und die zunehmend schärferen Sparmaßnahmen der Hamburger Politiker mit ihren personellen und organisatorischen Auswirkungen auf die Aufgabenerledigung. Beide Arbeitstitel sind nicht abschließend bearbeitet. Im Gegenteil. Die sich verschärfende Finanznot Hamburgs wird zu weiteren Sparmaßnahmen zwingen, auch im personellen Bereich, zu deren Abmilderung man sich verstärkt der elektronischen Datenverarbeitung bedienen wird. So standen und stehen beide Arbeitstitel in enger Verbindung zueinander. 

Der Aufbruch der Steuerverwaltung in ein neues Technikzeitalter in der zweiten Hälfte der 70er Jahre, Zentralisierung der manuellen Finanzkassen, Abschaffung des Lochkartenverfahrens und Einführung der elektronischen Datenverarbeitung in Steuerfestsetzung und -erhebung erreichte 1979 seinen Tiefpunkt. In zu kurzer Zeit sollte ein ungenügend vor- und aufbereitetes Umstellungsvolumen mit zu wenig Personal bei ungenügender technischer Unterstützung in neue, technisierte Verfahrensabläufe übernommen werden. Das ging schief. Massive Beschwerden aus der breiten Öffentlichkeit und vom betroffenen Personal führten schließlich zu den von DSTG und den mit der Umstellung betrauten Mitarbeitern in den verschiedenen Verwaltungsbereichen bis hin zur Finanzbehörde geforderten Verbesserungen. 

Das dies erst geschah, nachdem eine beauftragte Organisationsfirma die von den betroffenen Mitarbeitern aufgezeigten Mängel und Lösungsansätze in einem aufwendigen Gutachten für rd. 370.000 DM aufgelistet hatte, ist ein Ärgernis am Rande. 

Immerhin sensibilisierte die Situation des Jahres 1979 alle Verantwortlichen in Politik und Verwaltung so weit, dass sich die Verhältnisse aus der Rückschau rasch verbesserten. Mit erheblich verbesserter EDV-Ausstattung und einem beachtlichen Engagement aller mit der Umstellung betrauten Mitarbeiter konnte die Einführungsphase der neuen Technik mit guten Ergebnissen überwunden werden. 

In den folgenden Jahren erfasste die EDV-Technik direkt oder indirekt alle Bereiche der Steuerverwaltung. Die Haltung der DSTG dieser Technikausweitung gegenüber war insgesamt während dieser Zeit aus meiner Sicht aufgeschlossen.Sie sah stets darin ein Mittel, den Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz bei zunehmendem Arbeitsdruck gewisse Entlastung zu verschaffen, wobei sie uneingeschränkt auf einer Beachtung der Ausstattungsregeln in Tarifverträgen und Arbeitsschutzbestimmungen bestand.

Die aufgeschlossene Haltung der DSTG den neuen Techniken gegenüber führte sie zwangsläufig in einen Konflikt. Sind es doch gerade die neuen Techniken, die Politiker und Verwaltung auch zur Rationalisierung und damit zum Abbau von Arbeitsplätzen nutzen, um die öffentlichen Haushalte von Personalkosten zu entlasten. In diesem Konflikt, bei Technikförderung die bedrohlich hohe Arbeitslosigkeit weiter zu begünstigen, bei Technikbekämpfung den Mitgliedern die Arbeit zusätzlich zu erschweren, hat sich die DSTG für die Technik entschieden. Sie geht davon aus, dass es keiner Gruppe allein gelingt, das Problem Arbeitslosigkeit zu lösen, sondern dass hier alle gesellschaftlichen Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen sind, Wege zu ändern, die alle angehende Arbeitslosigkeit abzubauen. 

Die sich bereits in den 70er Jahren abzeichnenden wirtschaftlichen Veränderungen, der zunehmende Abbau von Arbeitsplätzen als Reaktion darauf und die damit verbundene zunehmende Arbeitslosigkeit führten zu erheblichen Belastungen der öffentlichen Haushalte. Letztere verschärften sich durch stark sinkende Steuereinnahmen. Dem versuchen die Politiker seit Beginn der 80er Jahre durch jährlich sich steigernde Sparmaßnahmen entgegenzuwirken.  

War es aufgrund der Anzahl der wegen ungenügender Nachwuchsgewinnung in der Steuerverwaltung hohen Zahl unbesetzter Arbeitsplätze zunächst fast ”mühelos” möglich, eine Vorgabe des Senats, einen Teil des Personalkostenvolumens als sogenannte Vakanzenrate freizuhalten, zu erfüllen, wurde dies in dem Maße unerträglicher, mit dem Bürgerschaft und Senat ihre Maßnahmen verschärfend modifizierten. 

Ging man zunächst noch durch Festschreibung des zufällig am 31. Dezember 1981 nicht durch Stellenbesetzung gebundenen Personalkostenvolumens als ”Vakanzenrate” quasi mit dem Rasenmäher über fast alle Behörden hinweg, so wurde recht bald das Instrumentarium verfeinert. Schonbereiche konnten von einigen Behörden durchgesetzt werden. 

Anderen Behörden wurden diese Einsparverluste zusätzlich auferlegt. Neue Begriffe bildeten sich. Die Vakanzenrate wurde umbenannt in „Grundvakanz“, der – sollte die Bezeichnung stimmen – eine „Zusatzvakanz“ hinzugefügt wurde. Letztere hatten eben diejenigen Behörden zu erbringen, soweit sie nicht zum Schonbereich erklärt worden sind.

Als das immer noch nicht genug war, wurde den Behörden noch zusätzlich auferlegt, ein festgeschriebenes Personalkostenvolumen in Form einer entsprechenden Anzahl von Planstellen jährlich freizuhalten und anschließend zur endgültigen Streichung aufzugeben. So beträgt das gesamte Sparvolumen der Finanzverwaltung für 1988 11,9 Mio. DM (bei einem Personalkostenvolumen von insgesamt 228,5 Mio. DM). Bei der Durchführung der Sparmaßnahmen ging die Finanzbehörde als ”Musterknabe” voran. 

Erst 1986 setzte sie sich für einen Schonbereich Betriebsprüfung – dann allerdings erfolgreich – ein. Durch zeitlich und betragsmäßig über die jeweilige politische Beschlußlage hinausgehende Anweisungen griff sie in die Personalplanung der OFD mit dem Ergebnis ein, dass im Personalkörper von OFD und Finanzämtern jährlich erheblich mehr gespart wurde, als die Vorgaben erforderten. Kein anderer Bereich kann eine derartige „Planübererfüllung“ vorweisen. Von Beginn der Sparmaßnahmen an hat die DSTG deren Notwendigkeit nicht nur pauschal anerkannt, sondern sie ausdrücklich auch für den Bereich der Steuerverwaltung akzeptiert. Diese Akzeptanz war allerdings mit der Forderung verbunden, nur in dem Maße Personal abzubauen, in dem zuvor politisch entschieden worden ist, welche Aufgaben der öffentliche Dienst künftig nicht mehr wahrnehmen wird.

Diese Forderung ist nicht nur nicht erfüllt worden, sondern das Gegenteil ist eingetreten. Einer steigenden Personalverringerung steht eine wachsende Aufgabenfülle – besonders in den Finanzämtern gegenüber. In steigendem Maße, für immer kürzere Zeiträume ändert das Bonner Parlament die Steuergesetze, die – weil hastig zusammengeschustert – immer häufiger den eigentlichen „Schliff“ erst durch Verwaltungsanweisungen und die Rechtsprechung erhalten. 

Die Vorlaufzeiten, in denen sich Steuerbürger, deren Berater und die Bediensteten der Steuerverwaltung auf neue Rechtslagen einstellen können, werden immer kürzer, ja  fehlen oft ganz. 

Auf diesen chaotischen Zustand mit Personalabbau zu reagieren, erweckt den Verdacht, den Politikern ist an einer funktionsfähigen, die gesetzlichen Steuerquellen ausschöpfenden Steuerverwaltung gar nicht gelegen. Wer diese – zugegeben – schwerwiegende Anschuldigung zurückweist, setzt sich einem anderen, in seiner Wirkung gleich schwerwiegenden Verdacht aus, nämlich die monatlichen Arbeitsstatistiken über die Anzahl der erledigten Fälle zur Rechtfertigung von Personalverringerungen zu benutzen.

Frei nach der Devise, die bisherigen Maßnahmen haben keine Verringerung der Arbeitsergebnisse gezeigt, die „Schmerzgrenze” ist also noch nicht erreicht. Wer so denkt, zeigt ein erschreckendes Maß an Unkenntnis, was die Arbeit der Steuerfestsetzung und -erhebung bedeutet. Entscheidend für das Steueraufkommen sind nicht die Zähler in Statistiken, sondern das Maß an Gründlichkeit, mit dem Steuerfälle bearbeitet und in keiner Statistik auftauchende Vorgänge aufgegriffen und steuerrechtlich ausgewertet werden. Alle diese Gedanken und weitere hat die DSTG in die Auseinandersetzungen mit den Politikern – insbesondere den Finanzsenatoren – eingebracht. 

Wenn es auch nicht gelungen ist, zu erreichen, dass die Steuerverwaltung beim Sparen insgesamt als Schonbereich behandelt wird, so konnten die Vorstände in diesen 9 Jahre doch spürbare Erleichterungen für die Bediensteten erreichen. 

Bei aller Gegensätzlichkeit der Standpunkte und gelegentlicher Schärfe in der Auseinandersetzung habe ich den Umgang der vorhandenen Personen miteinander stets als wohltuend empfunden. Diese Rückschau auf herausragende Punkte gewerkschaftlicher Arbeit wäre unvollständig, würde ich nicht wenigstens ansatzweise auf die Wahrnehmungen hinsichtlich der offenkundig erheblich veränderten Einstellung des Personals zur Mitgliedschaft in der Gewerkschaft eingehen.

In dem Maße, in dem es durch gewerkschaftlichen Einsatz gelungen war, die Not der Endvierziger und der fünfziger Jahre zu beseitigen und in den sechziger und siebziger Jahren eine – gemessen an den Bedürfnissen – insgesamt relativ gute wirtschaftliche und soziale Absicherung der Mitarbeiter zu erreichen, nahm das Interesse an der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft und das Interesse der Gewerkschaftsmitglieder an Aktionen der Gewerkschaft spürbar ab. Drei Faktoren sind für mich Gradmesser für diese Feststellung:

Mangelnde Bereitschaft der jungen Nachwuchskräfte zu gewerkschaftlicher Solidarisierung, mangelnde Bereitschaft von Gewerkschaftsmitgliedern zur Mitarbeit in der Gewerkschaft und auffallendes Desinteresse einer zu großen Zahl von Gewerkschaftsmitgliedern an gewerkschaftlichen Aktionen, z.B. Mitgliederversammlungen. Dabei ist es für mich wenig tröstlich, dass sich diese Feststellungen nicht auf die DSTG beschränken, sondern für andere gewerkschaftliche Gruppierungen ebenso gelten, wie für Organisationen der verschiedensten Bereiche bis hin zu den politischen Parteien. Für ihren Bereich ist die DSTG aufgerufen, Ursachenforschung zu betreiben und Veränderungen einzuleiten. Patentrezepte habe ich dafür nicht. Mir will aber nicht einleuchten, dass in schlechten Jahren Solidarität Verbesserungen bewirkte, in der heutigen Zeit aber Verschlechterungen durch eben diese Solidarität aller dennoch nicht abgewendet werden können.